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Luang Namtha/Laos – Jinghong/China
Am nächsten Morgen klingelt der Wecker wieder um kurz nach 6 Uhr. Viel haben wir nicht ausgepackt, also sind wir kurz darauf schon abmarschbereit. Der kalte Fahrtwind auf dem Tuktuk, das uns zum Busbahnhof bringt, lässt uns erzittern, hier ist es morgens empfindlich kalt. Entlang der staubigen Hauptstraße, an der ein paar ärmliche Geschäfte und Werkstätten gerade öffnen, sind die buddhistischen Mönche ein willkommener Farbfleck mit ihren orangefarbenen Roben. Jeden Morgen kommen sie vom Kloster zu Fuß in die Stadt und holen sich bei den Gläubigen Spenden ab, denn nur damit können sich die Mönche überhaupt versorgen.
Über den Feldern geht wieder die Sonne als roter Ball auf, dieser Anblick wird fast schon zur Gewohnheit. Am Busbahnhof angekommen, wärmen wir uns in der Wartehalle auf und erstehen für ein paar Cent einen heißen Instantkaffee. Titus verzichtet auf ein Frühstück, er hat Sorge, dass ihm wieder übel wird.

Bus zum Grenzübergang Boten (Laos/China)
Heute steigen wir allerdings nicht in einen Minivan, sondern in einen Bus – der seine besten Zeiten hinter sich hat. Innen sind nur ein paar wenige Sitzbänke, die meisten wurden ausgebaut, um Platz für Ladung und Vieh zu schaffen. Dementsprechend streng riecht es dort auch. Wir nehmen auf der letzten Sitzreihe ganz hinten Platz, und um 8 Uhr rumpelt der Bus quietschend los. Auch er quält sich zunächst über eine von Schlaglöchern übersäte Straße. Bei jedem davon werden wir fast vom Sitz geworfen, das gefällt Titus aber so gut, dass er diesen Abschnitt von knapp zwei Stunden Fahrt mit bester Laune übersteht.
Je näher wir der laotisch-chinesischen Grenze kommen, desto gewaltiger treten die Ausmaße der Baumaßnahmen zutage. Chinesische Baumaschinen haben hier ganze Landschaften abgetragen und eine Wüste verwandelt, deren roter, feiner Staub sich auf alles und jeden legt.

LKW um LKW fährt vor uns bzw. kommt uns entgegen, und es wird deutlich, dass hier noch viel mehr geplant ist als „nur“ eine Schnellzugtrasse. Offenbar gehört der Bau einer Großstadt gleich dazu. Davon zeugen die wie aus dem Nichts mitten in dieser Riesenbaustelle vor uns auftauchenden futuristischen Hochhäuser, die in einer Art Geisterstadt direkt vor dem Grenzübergang Boten stehen. Alles unbewohnt bzw. noch im Bau befindlich, aber eindeutig in chinesischen Dimensionen angelegt.

Einreise unter erschwerten Bedingungen
Wir verlassen den Bus und gehen zu Fuß über die Grenze, bei der Ausreise aus Laos geht alles glatt und bis zur chinesischen Grenze sind es nur ein paar hundert Meter. Dort angekommen, legen wir unsere Atemschutzmasken an, denn die sind hier Pflicht.

Bei den Grenzern löst unser Erscheinen aber sogleich große Geschäftigkeit aus – und Verwunderung. Der Grenzübergang ist erst seit ein paar Tagen überhaupt wieder geöffnet, und seit Ausbruch des Corona-Virus sind hier keine Touristen mehr durchgekommen. Nun läuft aber das ganze Krisen-Procedere an: Mehrfach wird unsere Temperatur gemessen. Mithilfe einer Übersetzungs-App fragt der zuständige Officer detailliert nach unserer Reisehistorie. Es dauert, bis die erklärt ist und auch verstanden ist, warum wir ein Visum für China im Reisepass haben, das in Singapur ausgestellt wurde. Formular um Formular wird ausgefüllt, mit Passdaten und Fragen zu Gesundheit und aktuellem Befinden. Alle tragen volle Schutzkleidung, wir kommen uns vor wie im Film „Outbreak“.
Der Verantwortliche telefoniert mehrfach offenbar mit seinem Vorgesetzten, macht Fotos von uns und unseren Pässen und telefoniert wieder. Schließlich werden wir zum nächsten Schalter gewinkt. Dort stehen wir wie auf dem Präsentierteller und schwitzen in der Sonne und unter unserem Mundschutz, während zwei Beamte konzentriert in den Bildschirm ihres PCs starren und gefühlt stundenlang tippen. Endlich hören wir das ersehnte Geräusch des Einreisestempels, wir sind erleichtert. Einen Alternativplan, wenn uns die Einreise verweigert worden wäre, hatten wir uns gar nicht überlegt. Aber noch ist die Sache nicht überstanden, wir müssen noch zum medizinischen Check. Dort der nächste Schreckmoment: die Temperaturmessung ergibt erhöhte Temperatur. Das liegt aber daran, dass wir seit einer Stunde in der prallen Sonne stehen, mit den schweren Rucksäcken auf den Schultern. Zum Glück erkennt das der zuständige Beamte auch und kommandiert uns in den Schatten. Und siehe da: Nach ein paar Minuten ist alles in Ordnung. Noch einmal werden wir genauestens über die Stationen der letzten Wochen befragt – und dann sagt der Mann im Arztkittel unvermittelt: „You can go now.“ Zuerst reagieren wir gar nicht, und er wiederholt den Satz. Unsicher laufen wir also weg vom Grenzhäuschen. Nach fast zwei Stunden an der Grenze sind wir tatsächlich in China!
Willkommen in China: Mohan
Erleichterung macht sich breit. Und Hunger. Nachdem Norman erfolgreich einen Geldautomaten gefunden hat und wir den Busbahnhof von Mohan ausfindig gemacht haben, kaufen wir die Fahrkarten für die Weiterfahrt und lassen unser Gepäck dort. Wohlweislich, alles ohne ein Wort Chinesisch auf unserer Seite bzw. Englisch auf der Gegenseite. Dann suchen wir schnellstens ein Lokal auf, wo wir ebenfalls nur mit den Fingern auf diverses Gemüse zeigen. Bald steht Reis, Tofu in Sichuanpfeffer, eine Art Mangoldgemüse und Pilze auf dem Tisch. Dazu zur Belohnung ein Bier – und es schmeckt köstlich und kostet uns nur ein paar Yuan. Nur Titus ist etwas unglücklich damit, kann aber später mit einer Fertignudelsuppe versöhnt werden.

Mohan ist ein äußerst verschlafenes Städtchen. Doch während auf der laotischen Seite, nur zwei Kilometer entfernt, nur Wellblechhütten ohne Kanalisation und unbefestigte Straßen zu finden sind, gibt es hier eine vierspurige, bestens ausgebaute Hauptstraße inklusive Gehwegen, Geschäfte, Lokale und Banken. Nur die sanitären Anlagen sind teilweise erschreckend. Und die Freundlichkeit und die Hilfsbereitschaft der Südostasiaten sind bereits abhandengekommen. Wir sind auf der Suche nach einer lokalen SIM-Karte. Handygeschäfte gibt es in zweistelliger Zahl in der Hauptstraße. Doch auf unsere Nachfrage winkt man höchstens gelangweilt ab. Entweder versteht man uns nicht oder hat keine Lust, zu verkaufen oder zumindest zu sagen, wo wir fündig werden. Erst beim letzten Laden haben wir Glück, der Verkäufer nimmt das langwierige Procedere auf sich, Reisepässe zu scannen, Fotos zu machen und SIM-Karten einzubauen. Endlich können wir die Übersetzungs-Apps nutzen, und auch die die im Vorfeld installierten VPN-Clients funktionieren, so dass wir weiterhin auf WhatsApp, Google, Facebook und unsere E-Mails zugreifen können.
Weiterreise nach Jinghong
Gegen 16 Uhr geht die Fahrt im Reisebus los, und zwar auf schnurgerader Straße. Hier sind keine Serpentinen zu befürchten, stattdessen geht die insgesamt sechsspurige Autobahn (!) auf Brücken um die Berge herum bzw. durch Tunnels mitten hindurch. Die Fahrt ist so geruhsam, dass von Reiseübelkeit keine Spur ist und wir alle erleichtert aufatmen.
Nach knapp zwei Stunden und 175 Kilometern erreichen wir die erste größere Stadt, die Norman für einen Zwischenstopp vorgesehen hat. Jinghong entpuppt sich ganz und gar nicht als das „Kaff“, als das es in Reiseführern dargestellt wird. Stattdessen finden wir uns mitten in einer quirligen Großstadt mit wahrscheinlich knapp 1 Mio. Einwohnern wieder, in deren Innenstadt beeindruckende Hochhäuser und Luxushotels stehen. Wir müssen offenbar in China unsere Erwartungen an die hier herrschenden Größenverhältnisse anpassen.

Normalität vs. Krise
Da in China noch längst nicht alle Hotels wieder geöffnet haben, war es gar nicht so leicht, eine Unterkunft zu finden. Norman hat tagelang im Vorfeld per WeChat (dem chinesischen Pendant zu WhatsApp) mit dem Besitzer eines Hotels kommuniziert, der von behördlicher Seite dann die Erlaubnis bekommen hat, uns aufzunehmen. Seit COVID-19 ist nämlich jede Bewegung innerhalb Chinas noch strenger überwacht als vorher.
Der Herr entpuppt sich als der netteste Gastgeber aller Zeiten. Nicht nur holt er uns höchstpersönlich mit dem Auto vom ziemlich schmuddeligen Busbahnhof ab, sondern bietet uns ein wirklich luxuriöses Zimmer in seinem komplett leer stehenden Hotel zu einem Spottpreis an – familiärer Rundumservice inklusive. Per Übersetzungs-App kann er alle unsere Fragen beantworten. Nachdem wir uns im riesigen Familienzimmer eingerichtet haben, machen wir uns auf die Suche nach Abendessen.
Im Park vor dem Hotel geht es typisch chinesisch zu. Rentner treiben Sport an den Fitnessgeräten oder beim TaiChi, Familien gehen spazieren und es tönt laute Musik. Alles ganz normal, bis auf die Tatsache, dass eben alle Masken tragen. Doch bald stellen wir fest: So ganz normal läuft es doch noch nicht. Es gibt keine Möglichkeit für uns, in einem Restaurant zu essen, denn die dürfen keine Kundschaft aufnehmen, sondern nur Essen über Lieferdienste oder auf Vorbestellung ausgeben. Da wir aber weder über die richtigen Apps noch die Zahlungsmethoden (WeChat Pay, Alipay) daür verfügen, stehen wir mit knurrendem Magen ratlos davor. Doch die Lösung liegt nah: Nach dem üblichen Temperatur-Scan dürfen wir den großen Supermarkt betreten und decken uns dort mit Lebensmitteln ein.
Zu Titus‘ sehr großer Begeisterung veranstalten wir dann kurzerhand einfach ein Picknick in unserem Hotelzimmer, mit frischem Gemüse, Brot, Käse und einer Flasche Rotwein. Gar nicht übel!
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Luang Namtha/Laos – Jinghong/China
The next morning the alarm clock rings again at shortly after 6 am. We haven’t unpacked much, so we are ready to leave shortly after. The cold wind on the tuktuk, which takes us to the bus station, makes us shiver, it is very cold here in the morning. Along the dusty main street, where a few poor shops and workshops are just opening, the Buddhist monks are a welcome spot of colour with their orange robes. Every morning they walk from the monastery to the city and collect donations from the believers, because the monks live only on these donations.
Above the fields the sun rises again as a red ball, this sight almost becomes a habit. Arrived at the bus station we warm up in the waiting hall and buy a hot instant coffee for a few cents. Titus waives breakfast, he is worried that he will get sick again.
Bus to the Border Crossing Boten (Laos/China)
Today, however, we are not getting into a minivan, but into a bus – which has seen better times. There are only a few benches inside, most of them have been removed to make room for cargo and livestock. Accordingly, it smells correspondingly strong there.

We take a seat on the row at the very back, and at 8 o’clock the bus rumbles squeakily off. At first it too struggles over a road littered with potholes. In each of them we are almost thrown out of our seats, but Titus likes it so much that he survives this stretch of almost two hours of driving in a good mood.
The closer we get to the Lao-Chinese border, the more the extent of the construction work becomes apparent. Chinese construction machines have eroded entire landscapes here and transformed a desert. The red, fine dust covers everything and everyone. Truck after truck drives in front of us or comes towards us, and it becomes clear that there is much more planned here than “just” an express train route. Apparently, the construction of a big city is also part of it. The futuristic skyscrapers that appear in front of us as if from nowhere in the middle of this huge construction site, standing in a kind of ghost town directly in front of the border crossing, bear witness to this. Everything is uninhabited or still under construction, but clearly laid out in Chinese dimensions.

Entry under difficult conditions
We leave the bus and cross the border on foot, leaving Laos everything goes smoothly.

From there, it is only a few hundred meters to the Chinese border. Once there, we put on our breathing masks, because they are compulsory here. At the border our appearance immediately causes a lot of activity and astonishment among the officers.

The border crossing has only been reopened a few days ago, and since the outbreak of the Corona virus no tourists have passed through here. But now the whole crisis procedure is underway: Our temperature is measured several times. With the help of a translation app, the officer in charge asks in detail about our travel history. It takes time until it is explained and understood why we have a visa for China in our passport, which was issued in Singapore. Form after form is filled out, with passport data and questions about health and current well-being. Everyone is wearing full protective clothing, we feel like in the movie “Outbreak”.
The person in charge apparently talks to his superior on the phone several times, takes pictures of us and our passports and makes another phone calls. Finally we are waved to the next counter. There we stand and sweat in the sun with our face masks, while two officers stare concentratedly at the screen of their PC and type for hours. Finally we hear the longed-for sound of the entry stamp, we are relieved. We had not even considered an alternative plan if we had been refused entry.
But it is not over yet, we still have to go to the medical check. There the next moment of shock: the temperature measurement shows increased temperature. But that is because we have been standing in the blazing sun for an hour with the heavy backpacks on our shoulders. Fortunately, the officer in charge recognizes this too and orders us to move into the shade. Lo and behold: After a few minutes everything is fine. Once again we are asked in detail about the wards of the last weeks – and then the man in the doctor’s coat suddenly says: “You can go now.” At first we don’t react at all, and he repeats the sentence. So we start walking away from the border checkpoint slowly. After almost two hours at the border we are actually in China!
Welcome to China: Mohan
Relief is upon us. And hunger. After Norman has successfully found an ATM machine and we have located Mohan’s bus station, we buy the tickets for the onward journey and leave our luggage there. Wisely, all without a word of Chinese on our side or English on the other side. Then we quickly find a restaurant where we also point only with our fingers at various vegetables. Soon there is rice, tofu in Sichuan pepper, some kind of chard vegetables and mushrooms on the table. As a reward we have a beer – everything tastes delicious and only costs us a few Yuan. Only Titus is a little unhappy with it, but can be reconciled later with a ready-made noodle soup.
Mohan is an extremely sleepy little town. But while on the Laotian side, only two kilometres away, there are only corrugated iron huts without sewerage and unpaved roads, here there is a four-lane, well developed main road including sidewalks, shops, pubs and banks. Only the sanitary facilities are partly frightening. And the friendliness and helpfulness of the Southeast Asians have already been lost. We are looking for a local SIM card. Mobile phone shops can be found in double digits on the main street. But when we ask, most shop owners wave tiredly or decline to sell them. Either they don’t understand us or they don’t want to sell or at least tell us where to find them. Not until the last shop we are lucky, the seller takes the long procedure to scan passports, take pictures and install SIM cards. Finally, we can use the translation apps, and the VPN clients installed beforehand are also working, so we can continue to access WhatsApp, Google, Facebook and our emails.
Onward journey to Jinghong
At about 4 pm the tour bus starts its journey on a dead straight road. There are no serpentines to be feared here, instead, the motorway with a total of six lanes (!) goes on bridges around the mountains and/or through tunnels in the middle. The drive is so quiet that there is no trace of travel sickness and we all breathe a sigh of relief.
After almost two hours and 175 kilometres we reach the first bigger city Norman has planned for a stopover. Jinghong turns out to be not at all the “jerkwater town” as it is described in travel guides. Instead, we find ourselves in the middle of a lively city with probably almost 1 million inhabitants, in whose inner city there are impressive skyscrapers and luxury hotels. We obviously have to adjust our expectations in China to the size of the cities.

Normality vs. Crisis
Since not all hotels in China have reopened yet, it was not easy to find accommodation. Norman communicated with the owner of a hotel for days in advance via WeChat (the Chinese equivalent of WhatsApp), who then received permission from the authorities to accommodate us. Since COVID-19 every movement within China is even more strictly monitored than before.
The gentleman turns out to be the nicest host ever. Not only does he personally pick us up by car from the rather dingy bus station, but he also offers us a really luxurious room in his completely empty hotel for a ridiculous price – family-friendly all-inclusive service. He answers all our questions via a translation app. After we have settled in the huge family room, we start looking for dinner.
In the park in front of the hotel, things are typically Chinese. Older people do sports at the fitness area or with TaiChi, families go for a walk and loud music sounds. Everything is quite normal, except for the fact that everybody is wearing masks. But soon we find out that things are not quite normal yet. There is no possibility for us to eat in a restaurant, because they are not allowed to take customers, but only to serve food via delivery services or on advance order. But as we neither have the right apps nor the payment methods (WeChat Pay, Alipay) for this, we stand helplessly in front of it with a growling stomach. But the solution is obvious: After the usual temperature scan we are allowed to enter the big supermarket and stock up with food.
To Titus’ great enthusiasm, we simply have a picnic in our hotel room, with fresh vegetables, bread, cheese and a bottle of red wine. Not bad at all!

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