Deutsch /
English
Treppauf, treppab am Mount Li
Während wir uns ungewohnt früh aus dem Bett quälen, kommt vom gewohnt gut gelaunten Kind um kurz nach 7 Uhr bereits die Frage: „Gehen wir heute wandern?“ Also schnell anziehen, frühstücken, Rucksack packen und ab zur Metro. Dort erwartet uns die gewohnte und zeitlich einkalkulierte Verzögerung, denn wir müssen neben der Handy-App auch die Pässe und Einreisestempel vorweisen. Dann noch schnell das Taschenmesser und die Flasche Wasser beim Durchleuchten des Rucksacks vorzeigen, und endlich dürfen wir in die volle U-Bahn steigen.
Eine halbe Stunde Fahrt, dann wieder Umsteigen in den richtigen Bus. Diesmal gestaltet sich die Anreise aber als etwas einfacher, denn unser Ziel liegt nur eine Haltestelle vor der Terrakotta-Armee. Der Fahrkartenverkäufer im Bus zückt routiniert sein Handy mit dem Übersetzungsprogramm und fragt zweimal nach, ob wir wirklich nicht zu den berühmten Ton-Figuren wollen.
Huaqing Pools
Nach einer guten halben Stunde Fahrt steigen wir mitten in der Stadt aus, umgeben von mehr oder weniger gleichförmigen Hochhäusern. Und doch liegt hier eine wichtige Sehenswürdigkeit der Provinz Shaanxi, nämlich die Badehäuser aus der Tang-Dynastie. Einer Legende nach wurde dieses zauberhafte Lustschloss mit seinen vielen, von einer natürlichen heißen Quelle gespeisten Schwimmbecken vom Kaiser Xuanzhong für seine geliebte Konkubine Yang Guifei im Jahr 723 erbaut.
Nach einigem Hin und Her schaffen wir es, tatsächlich Eintrittskarten zu einem ungewohnt stolzen Preis zu erstehen. So ganz routiniert läuft es hier noch längst nicht ab, wenn ausnahmsweise doch einmal Nicht-Chinesen wie wir auftauchen, die sich nicht über die offizielle App für einen Besuch vorab registrieren können, da das System keine ausländischen Passnummern zulässt…
Die Palastgebäude, der dazugehörigen Park mit Teichen, lauschigen Plätzchen, malerischen Brücken und liebevoller Bepflanzung ist wirklich schön, doch stellen wir bei uns beim Anblick eines weiteren typischen chinesischen Gartens eine gewisse Ermüdung fest.
Viel spannender ist der Spielplatz, der ausgiebig erkundet werden muss –und die Gondel, die im Hintergrund den Berg hinauffährt.
Stufe um Stufe
Norman hat längst die optimale Wanderroute für den Mount Li recherchiert, und wir steigen zunächst in die kleine Seilbahn ein. Die Endstation liegt längst nicht auf dem Gipfel, doch bevor wir den Aufstieg wagen, ist es Zeit für eine zünftige Brotzeit. Zum Glück gibt es ein paar Essensstände am Wegrand, wo ich nach einem Blick auf das Angebot „liang ge jidan he liang ge mianbao“ ordere. Die Dame kichert zwar, weil offenbar „Brot“ nicht die richtige Bezeichnung für die Teigfladen ist, aber immerhin gekommen wir diese wie gewünscht mit zwei Sojaeiern.
Anschließend geht es steil bergauf. Und da die Chinesen Treppen lieben, nicht wie wir es erwartet haben über einen Wanderweg, sondern Stufe um Stufe. Und um Stufe. Und Stufe. Leider vergesse ich, vor lauter Anstrengung mitzuzählen, aber es sind sicherlich gut 500 davon, bis wir endlich (endlich!) auf dem Gipfel auf 1.302 Metern ankommen. Dort steht eine Pagode, in deren Innern uns weitere 64 (!) Stufen erwarten, bis wir endgültig die Aussicht genießen können.
Doch der Plan sieht vor, dass wir von hier aus den gesamten Berg bis zurück zum Palasteingang zu Fuß hinunter wandern. Bergab geht es auf den über den Hang mäandernden Treppen deutlich leichter, das Wetter ist herrlich, außer uns ist kaum eine Menschenseele unterwegs, und wir bewundern farbenprächtige Vögel, haarige kleine Raupen und Schmetterlinge.
Immer wieder liegen kleine, kunterbunt bemalte Pavillons auf dem Weg, auch ein offensichtlich ziemlich alter Tempel. Als wir den Gebetsraum durchqueren, stehen wir mitten im Innenhof eines sehr einfachen Wohnhauses. Die älteren Herrschaften, die uns überrascht ansehen, laden uns gestenreich ein, näherzutreten und den Altar zu begutachten. Der Hausherr zeigt Titus, wie man der Buddhastatue ein Opfer darbringt, und am Ende verabschieden sich alle fröhlich winkend von uns und drücken uns noch eine Packung Kekse und einen Apfel in die Hand.
Leider „trügt“ die Wanderidylle, denn nach vielen Höhenmetern Abstieg folgen gleich mehrere nicht minder steile Anstiege und erneute Abstiege, fast schon automatisch steigen meine Füße die immer gleichen Abstände zwischen den Stufen auf und ab. Wäre es nicht so schön und würde ich die Bewegung an der frischen Luft nicht so genießen, hätte ich längst gestreikt.

Wo für mich schon die Stufen anstrengend sind, mag ich mir gar nicht vorstellen, wie viel steiler die Treppen für ein Kind mit gerade mal 1,,20 Meter Körpergröße sein mögen. Doch Titus marschiert unverdrossen weiter und hat offenbar noch genug Atem, um pausenlos Geschichten zu erzählen. Ermüdungserscheinungen gleich Null, selbst bei einer kleinen Rast an einem der vielen Tempel auf dem Weg hüpft und springt Titus noch herum, während ich die Beine ausruhen muss.

Die berühmte Stelle, an der Chiang Kai-shek sich 1936 vor seiner Gefangenahme versteckt hat, ist für uns nicht ganz so spannend wir für die vielen Einheimischen, die sich hier extra die passende Uniform ausleihen und mit Plastikwaffe in der Hand und verspiegelter Sonnenbrille fotografieren lassen.
Es ist bereits fast 16 Uhr, als wir endlich wieder im Huaqing-Palast anlangen und dort feststellen müssen, dass der nächste Bus erst in über einer Stunde fährt. Ein Taxifahrer macht uns ein unschlagbares Angebot bis zur nächsten U-Bahn-Station, das wir dankend annehmen, und sind so gegen halb sechs zurück im Hotel.
Am Ende zeigt mein Schrittzähler 95 Stockwerke und mehr als 11 Kilometer Strecke an. Und im Gegensatz zu mir hat Titus noch die Energie, zusammen mit Norman Pasta zu kochen und stolz zu servieren.

Deutsch /
English
Many, many stairs at Mount Li
While we drag ourselves out of bed unusually early, the little one asks us at just after 7 a.m.: “Are we going hiking today?” Well, yes! So we get dressed quickly, have breakfast, pack our backpack, and off we are to the metro. There, the usual and calculated delay is waiting for us, as beside the mobile phone app we also have to show our passports and entry stamps. Then we quickly show the pocket knife and the bottle of water after the screening of the backpack, and finally we are allowed to board the full subway.
After half an hour reach destination number one and change to the right bus (No. 306). But this time the journey turns out to be a little easier, as our destination is only one stop before the Terracotta Army. The ticket seller in the bus routinely pulls out his mobile phone with the translation program and asks twice if we really don’t want to visit the famous clay statues.
Huaqing Pools
After a good half hour’s drive we alight the bus in the middle of the city, surrounded by more or less uniform high-rise buildings. And yet here is one of the most famous sights of Shaanxi province, namely the pools or hot springs of the Tang Dynasty. According to the legend, this enchanting palace with its many pools fed by a natural hot spring was built by Emperor Xuanzhong for his beloved consort Yang Guifei in 723.
After some back and forth we actually manage to buy tickets at an unusually high price. It’s not quite that routine here, when for once non-Chinese people like us show up, who can’t register for a visit in advance via the official app, as the system doesn’t allow to enter foreign passport numbers…
The palace buildings, the appendant park with ponds, cozy little corners, picturesque bridges and lovingly planted greenery is really beautiful, but we notice a certain tiredness by just another typical Chinese garden. Much more exciting is the playground that has to be tested extensively -and the gondola up the mountain in the background.
Step by Step
Norman has figured out the optimal hiking route around Mount Li, and we move into the small cable car cabin. The mountain station is below the summit, but before we dare the ascent, it is time for a proper snack. Fortunately, there are some food stalls at the roadside, where I order “liang ge jidan he liang ge mianbao” after peering at the offer. The lady giggles, because apparently “mianbao/bread” is not the correct word for the flat buns, but in the end we get them with two soy eggs.
Afterwards this rest the path leads steeply uphill. And not in a regular hiking trail as expected but in a stairs which seem to be China‘s favourite architectural skill! So we have to climb step by step. And step by step. And step by step.

Unfortunately I forget to count while I’m breathing heavily, but there are certainly a good 500 of them until we finally (finally!) reach the summit at 1,302 meters. There is a pagoda, and inside 64 (!) more steps await us until we can finally enjoy the view.

The plan is to walk down the whole mountain from here back to the palace entrance. Downhill, it is much easier to handle the stairs meandering over the slope, the weather is wonderful, apart from us, hardly a soul is on the way, and we admire colourful birds, hairy little caterpillars and butterflies. Now and then, we pass some small and beautifully painted pavilions on the way, also an obviously quite old temple. As we cross the prayer room, we find ourselves in the middle of the courtyard of a very simple residential building. The elderly gentlemen, who greet us in surprise, invite us with gestures to come closer and examine the altar. The elderly show Titus how to bow and make a sacrifice to the Buddha statue and at the end of the ceremony, they wave goodbye with a bright smile and give us some cookies and an apple.

Unfortunately, the hiking idyll is “deceptive”, because after many metres of descent, several not less steep ascents and renewed descents follow, and almost automatically my feet climb up and down the always same distances between the steps. If it would not be so beautiful and if I would not enjoy the exercise in the fresh air so much, I would have gone on strike long ago.

Where the steps are already exhausting for me, I can’t imagine how much steeper the stairs might be for a child with a height of only 1,20 meters. But Titus marches on undaunted and apparently still has enough breath to babble non-stop. There is no sign of fatigue, even when I take a short break at one of the many temples along the way, Titus is still jumping and running around while I have to rest my legs.
The famous place where Chiang Kai-shek hid before his capture in 1936 is not as exciting for us as it is for the many locals who rent matching uniforms and have their picture taken with a plastic gun in their hands and mirrored sunglasses on their face.

It is already almost 4 p.m. when we finally arrive back at Huaqing Palace and have to realize that the next bus will not leave for more than an hour. A taxi driver makes us an unbeatable offer to drive us to the next subway station, which we gratefully accept, and are back at the hotel around half past five.
At the end, my pedometer indicates 95 floors and a distance of more than 11 kilometres. And unlike me, Titus still has the energy to cook pasta together with Norman and proudly serve it. Wow!
