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Ein Zweitagesausflug nach Huashan
Der Huashan (oder Mount Hua) gilt als eine der Orte, die man in der Provinz Shaanxi keinesfalls verpassen sollte. Der über 2.000 Meter hohe Berg kann über einen recht spannenden Klettersteig, aber auch bequem über zwei verschiedene Gondeln erreicht werden. Wir als begeisterte Bergsportler wollen uns diese Natur-Attraktion natürlich nicht entgehen lassen und machen uns also auf den Weg nach Huayin, dem dazugehörigen Städtchen.
Der Ort mit seinen „nur“ 200.000 Einwohnern liegt nur eine halbe Stunde Zugfahrt von Xi’an entfernt. Die Zeitangabe bezieht sich natürlich auf die Fahrt mit dem Schnellzug, der mit über 300 km/h durch die Landschaft rast. Dabei sehen wir mit eigenen Augen, wie Zug-Ausbau in China funktioniert: Da wird kurzerhand neben der bereits bestehenden Trasse eine neue für den Schnellzug gebaut.

Probleme bei der Ankunft
Gut für uns, denn so steigen wir nach kurzer Fahrt bereits wieder aus und durchqueren das – wieder einmal für uns ungewohnt weitläufige und moderne Bahnhofsgebäude. Draußen wartet die übliche Kontrolle, doch da wir die hier in diesem Verwaltungsbereich gültige Health App nicht haben, winkt man uns gelangweilt durch. Wir gehen zügig zum Taxistand, laden nach kurzer Preisverhandlung das Gepäck ein und setzen uns ins Auto. Doch bevor der Fahrer losfahren kann, entbrennt plötzlich eine lautstarke Diskussion – zunächst unter den Taxifahrern, bald mischt sich auch ein Uniformträger ein. Und nach zehn Minuten bedeutet man uns, wieder auszusteigen und mitsamt Gepäck mit zurück zum Bahnhof zu kommen. Im Weglaufen sehe ich, wie der Taxifahrer hektisch mit einer Flasche Desinfektionsmittel sein Auto großflächig einsprüht.
In der inzwischen brennenden Mittagssonne stehen wir anschließend auf dem Bahnhofvorplatz und diskutieren angeregt mit den zuständigen Beamten (von denen es hier wirklich mehr als genug gibt), was wir hier wollen, wo wir herkommen, warum wir überhaupt in China sind, … Alles sehr unergiebig, denn immer wieder mischt sich ein anderer der Uniformierten ein, es scheint hier ein Kompetenzgerangel zu geben. Wir hören immer wieder den Satz: „Go back to Xi’an. No Huashan.“ Anscheinend hat niemand in diesem Verwaltungsbezirk Lust, sich mit urplötzlich einreisenden Ausländern zu befassen.

Lange Diskussionen
Nach einer Weile klinke ich mich aus und verziehe mich mit dem ermatteten Titus in den Schatten, wo wir auf einem Stuhl Platz nehmen dürfen. Während wir uns die Zeit mit Chinesisch-Vokabeln und Vorlesen vertreiben, schickt mir Norman eine Nachricht, dass er mit dem neu hinzugekommenen Polizeibeamten nun erst einmal Tee trinkt und weiter verhandelt, und dabei mehrfach die angebotene Zigarette ablehnt. Das dauert, fast zwei Stunden sitzen wir so herum. Endlich dürfen auch Titus und ich zum Polizei-Einsatzwagen kommen, bekommen heißes Wasser und schauen uns die Urlaubsfotos des motorradbegeisterten Polizisten an. Dass er sich für BMW begeistert und wir zufällig Deutsche sind, scheint am Ende den Ausschlag zu geben – jedenfalls bedeutet er uns fast drei Stunden nach unserer Ankunft, dass wir nun tatsächlich bleiben dürfen. Eigens organisiert er sogar einen Regierungsbeamten, der uns in seiner schwarzen Limousine ebenfalls deutscher Herkunft zu unserem Hostel chauffiert. Wir merken am eigenen Leib: Hartnäckigkeit zahlt sich aus, und auch ein sehr selbstbewusstes Auftreten führt bei den an Autoritäten gewöhnten Chinesen zum Erfolg!
Gemütliche Unterkunft
Zum Glück wurde die Gastwirtin über die Polizeieskorte vorab telefonisch informiert und erwartet uns bereits. Ich verstehe nicht, was Ihr die Offiziellen noch alles mit auf den Weg geben, doch am Ende beziehen wir ein gemütliches Dreibettzimmer in der sonst menschenleeren Jugendherberge. Es ist bereits Abend, und nach einem schnellen und günstigen Essen im Lokal nebenan (die Wörter für Nudeln, Brot, Suppe und Bier habe ich nun endlich drauf!) tobt Titus noch stundenlang mit den Kindern der Hostelwirtin und den Nachbarskindern auf der Straße. Das geht zum Glück auch ohne viele Worte!

Wanderung im Tal
Um ehrlich zu sein, war der ganze Aufwand mit dem Ausflug zum Huashan am Ende etwas übertrieben: Denn wir dürfen nun zwar wie geplant zwei Nächte hier verbringen, können aber keinesfalls die Bergtour machen, wegen der wir ursprünglich gekommen sind. Unmissverständlich wurde uns erklärt, dass Ausländer den dazugehörigen Nationalpark nicht betreten dürfen.

Aber wenn wir auf unserer Reise eines zur Perfektion gebracht haben, dann ist es, flexibel zu sein. Wir frühstücken also gemütlich und nehmen uns den Vormittag Zeit für einen ausgedehnten Spaziergang am Fuß der Berge. Der Ausblick ist selbst von unten wunderschön, das Wetter ist herrlich und fast ein wenig zu sonnig. Den großen Tempel besuchen wir nur kurz, die allgemeine Tempel-Unlust hält an. Am Ende sind wir fast zwölf Kilometer marschiert.

Neue Freunde
Nachdem wir uns noch mit Vorräten im Supermarkt eingedeckt haben, verbringen wir den Rest des Tages im Hostel, wo vor allem Titus freudig die Gesellschaft der anderen Kinder genießt. Die sind begeistert vom neuen Spielkameraden und probieren an ihm ihre spärlichen Englischkenntnisse aus. „Hide and Seek“ und „drawing“ stößt auf allgemeine Zustimmung, ebenso wie Eis essen.

Zur Feier unseres heutigen Hochzeitstages stoßen Norman und ich beim Abendessen mit einem Bier an. In allen Lokalen, mit denen die Hauptstraße gesäumt ist, herrscht gähnende Leere, und das Personal sitzt gelangweilt herum, spielt auf dem Handy oder döst auf den Tischen. Ob und wann hier wieder mit den früher anscheinend üblichen Touristenmassen zu rechnen ist, ist nicht absehbar.
Ab- und Weiterreise
Nach einer weiteren Nacht, in der ich vom ständigen Warn-Hupen der vorbeifahrenden Güter- und Personenzüge wachgehalten werde, verabschieden wir uns morgens herzlich von der Gastwirtin, die uns trotz kaum vorhandener Englischkenntnisse bestens umsorgt hat, und den Kindern. Diesmal hat sie sich um das Taxi gekümmert, und wir kommen unbeschadet bis zum Bahnhof.

Norman schickt dem für uns zuständigen Polizeibeamten, mit dem er in den zwei Tagen mehrfach philosophische Nachrichten ausgetauscht hat, noch ein Abschiedsfoto. Dann steigen wir in den Schnellzug, der auf die Minute pünktlich ein- und abfährt. Hier ist übrigens die Wagennummer direkt am Gleis auf den Boden aufgedruckt, wie praktisch!
Um 10.01 Uhr verlassen wir Huayin – und sind gespannt, was uns am nächsten Ziel erwartet.

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A two day trip to Huashan
The Huashan (or Mount Hua) is considered one of the places not to be missed in Shaanxi Province. The mountain, which is over 2,000 meters high, can be reached via a quite exciting via ferrata, but also by two different gondolas. We as enthusiastic mountain sportsmen of course do not want to miss this natural attraction and so we make our way to Huayin, the small town belonging to it.
The town with its “only” 200,000 inhabitants is only half an hour by train from Xi’an. Of course, the timing refers to the trip with the express train, which races through the landscape at over 300 km/h. Here we see with our own eyes how train expansion works in China: A new track for the fast train is built a couple of meters next to the existing, “old” tracks.

Problems on arrival
Good for us, because this way we already get off the train after a short ride and cross the once again for us unusually spacious and modern station building. Outside, the usual health checkpoint is waiting for newcomers, but as we do not have the Health App that is valid here in this administrative area, we are waved through by a pretty bored lady. We quickly walk to the taxi stand, load our luggage after a short price negotiation in the trunk and get into the car. But before the driver can drive off, suddenly a loud discussion breaks out – first among the taxi drivers, soon a uniformed guy also interferes. And after ten minutes we are told to get out of the car and return to the station with our luggage. While running away I see how the taxi driver hectically sprays his car with a bottle of disinfectant.
In the meanwhile burning midday sun we have to wait in front of the station and discuss with the responsible officials (of whom there are really more than enough here) what we want here, where we come from, why we are in China at all, … All very unproductive, because again and again another one of the uniformed ones interferes, there seems to be a tussle about competences. Again and again we hear the sentence: “Go back to Xi’an. No Huashan.” Apparently, no one in this administrative district wants to deal with foreigners.

Long discussions
After a while I disengage myself and move into the shade with the exhausted Titus, where we are allowed to sit on a chair. While we pass the time with learning new chinese vocabulary and reading aloud, Norman sends me a message that he will have tea with the new police officer and continue negotiations, refusing the offered cigarette several times. That takes time, almost two hours we sit around like this.

Finally Titus and I are allowed to come to the police car, get hot water and watch the holiday photos of the motorcycle-loving police officer. The fact that he is enthusiastic about BMW and that we happen to be Germans seems to be the deciding factor in the end – at least he tells us almost three hours after our arrival that we are actually allowed to stay. He even organizes a government official who drives us in his black limousine to our hostel. We notice: persistence pays off, and also a very self-confident appearance leads to success with the Chinese who are used to authority!
Comfortable accommodation
Fortunately the landlady was informed about the police escort in advance by telephone and is already expecting us. I don’t understand what else the officials tell her, but in the end we move into a comfortable three-bed room in the otherwise deserted youth hostel. It’s already evening, and after a quick and cheap meal in the restaurant next door (I finally learned the words for noodles, bread, soup and beer!) Titus rages for hours on the street with the children of the hostel owner and the neighbour’s children. To his great astonishment, this is possible without speaking any Chinesese!

Hiking in the valley
To be honest, the whole effort with the trip to the Huashan was a bit overdone in the end: Indeed we are allowed to spend two nights here as planned, but we can’t do the hiking tour we originally came for. It was explained to us unambiguously that foreigners are not allowed to enter the national park.

But if there is one thing we have brought to perfection during our trip, it is flexibility. So we have a leisurely breakfast and use the a bit cooler morning for an extended walk at the foot of the mountains. The view is beautiful even from below, the weather is wonderful and almost a little too sunny. We only visit the big temple for a short time, the general temple-unlust continues. In the end we walked almost twelve kilometres.

New Friends
After stocking up on provisions in the supermarket, we spend the rest of the day in the hostel, where especially Titus enjoys the company of the other children. They are enthusiastic about their new playmate and try out their sparse English skills with him. “Hide and Seek” and “drawing” meet with general approval, just like eating ice cream.
To celebrate our wedding day Norman and I toast with a beer at dinner. All the places lining the main street are lacking of customers and the staff is sitting around bored, playing on their cell phones or dozing on the tables. Whether and when the masses of tourists that used to be common here will return is not foreseeable.
Departure
After another night, during which I am kept awake by the constantly blowed horns of the passing freight and passenger trains, we say a hearty goodbye in the morning to the landlady, who took good care of us despite hardly any knowledge of English, and to the children.

This time she took care of the taxi, and we arrive at the station without any further hassle. Norman sends a farewell photo to the police officer responsible for us, with whom he exchanged messages several times during the two days. Then we board the express train, which arrives and departs on time. By the way, here the number of the car is printed directly on the ground at the track, how practical!

We leave Huayin at 10.01 a.m. – and we are curious what awaits us at the next destination.
Comments (4)
Ohhh, wieder einmal sehr aufregend, was ihr da so berichtet, und wie ihr die sich ständig ändernen Situationen meistert. Respekt. Und danke für die schönen Berichte von “weit wech”…
Danke, über solche netten Kommentare freuen wir uns immer sehr! Reisen ist eben spannend, und nicht immer läuft alles reibungslos. Aber das gehört dazu und gefällt uns gerade so am “Individual-Tourismus”. Du kennst solche Erlebnisse sicher auch, oder?
Wir hoffen jedenfalls, dass wir noch eine Weile von unserer Reise berichten können.
Liebe Grüße
Nadine
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